Liebe unter Fischen by Freund Rene

Liebe unter Fischen by Freund Rene

Autor:Freund, Rene [Freund, Rene]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-10-02T17:00:00+00:00


»Hängebrüste«, sagte Fred laut.

»Wie bitte?«, fragte Mara.

»Ich habe Hängebrüste«, sagte Fred.

»Was?« Mara sah ihn an und prustete los. »Ist mir nicht aufgefallen. Schreibst du jetzt ein Gedicht darüber?« Und wieder lachte sie aus voller Kehle. Fred verzog keine Miene.

»Findest du nicht, dass ich wahnsinnig alt aussehe?«

»Ich kenne dich nur so.«

»Als du mich das erste Mal sahst, dachtest du da: Was für ein alter Mann?«

Mara konnte sich nicht mehr halten vor lachen. Stöhnend presste sie hervor: »Ja – dachte ich – alter Mann – alter, dicker Mann – mit unfazzbaren Hängebrüsten!« Mara musste aufstehen, weil das Lachen im Sitzen zu sehr schmerzte. Fred sah sie staunend an.

Dann musste er auch lächeln.

Mara trank einen großen Schluck Wasser und beruhigte sich. Sie setzte sich wieder neben Fred, der besorgt seinen Block zuklappte, damit sie ja nicht sehen konnte, was er geschrieben hatte.

»Und«, fragte sie, »schreibst du ein Gedicht? Schreibst du vielleicht über mich? Machst du dich über meine Figur lustig?«

»Aber nein! Du bist wunderschön. Und jung!«

»Ich bin nicht so jung.«

»Aber lebendig.«

»Inspiriert dich das?«

»Ich glaube nicht an Inspiration.«

»Aber irgendwas muzz dich anregen, Fred? Ich meine, zu einem Gedicht?«

Fred sah auf den See und schwieg. Dann sagte er vorsichtig: »Entschuldige, aber bei Interviews fand ich das immer die lästigste und … sinnloseste Frage. Ich weiß doch nicht, was mich inspiriert. Schon allein, darüber nachzudenken, tötet jede Art von Inspiration!«

»Tut mir leid. Ist wirklich eine blöde Frage!«

»Den Journalisten hab ich dann immer gesagt – die S-Bahn. Die S-Bahn inspiriert mich. Ich setze mich in die S-Bahn und fahre stundenlang durch die Stadt. Damit waren die zufrieden. Das war so ein Bild von einsamer Cowboy in der Großstadt, das hat denen gefallen. Natürlich bin ich in meinem Leben noch nie in die S-Bahn gestiegen, um mich inspirieren zu lassen. Der Gedanke allein, etwas zu tun, damit es einen inspiriert, ist schon völlig verkehrt.«

»Weil Druck kommt.«

»Genau!«

»Also entstehen deine Gedichte aus der Entspannung?«

»Nein. Eher aus einer Anspannung. Aber nicht aus einer absichtlichen.«

»Gedichte sind unabsichtlich?«

»Vielleicht absichtslos. Ich habe im Glückstaumel aufregender Affären geschrieben.«

»Aha.«

»Ich habe aus Liebeskummer geschrieben.«

»Aha.«

»Ich habe aus Zorn, aus Angst, aus Gekränktsein geschrieben.«

»Oh.«

»Aber weißt du, was mich stets am meisten inspiriert hat?«

»Was?«

»Ein Abgabetermin.«

»Also sollte dir einen geben dein Verlag.«

Fred seufzte: »Ich will nicht mehr. Ich fühle mich wohltemperiert. Wie deine Fische.«

»Ist praktisch.«

»Ja. Aber todlangweilig.«

»Deine Persönlichkeit macht eine Verwandlung. Wir kennen das in der Biologie in vielen Formen. Die Schlange häutet sich, die Vögel mausern sich, und so weiter. In der Zeit sind die Tiere meistens häzzlich und sehr verletzlich. Aber dann sind sie ganz neu.«

Fred stand auf und schaute skeptisch. »Ich habe das Gefühl, ich verwandle mich gerade von einem Schmetterling in eine Raupe.«

Mara lächelte nachsichtig: »Die Schlange wächst, sie häutet sich. Der Hirsch bekommt jedes Jahr ein prächtigeres Geweih!«

»Mara – bei mir wird nichts mehr prächtiger!«

»Vielleicht die Seele, Fred? In meiner Heimat haben wir einen Spruch – erst nach der Blume kommt die Frucht.«

»Mara, du bist wunderbar.«

»Würdest du ein Gedicht für mich schreiben?«

»Ich kann es nicht. Sorry.«



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